Wladimir Putin hat am 1. März eine große Rede zur Lage der Nation gehalten (englisch). Sie dauerte fast zwei Stunden. Deutlich mehr als eine Stunde befasste sich Putin mit innenpolitischen Themen, präsentierte die Ziele für die nächsten 6 Jahre und teilweise auch die Wege, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Diesen größeren Teil der Rede wird die westliche Propaganda größtenteils verschweigen, denn die Menschen im Westen würden vor Neid erblassen, wenn sie davon erfahren würden. Im zweiten Teil der Rede ging es um einige von Russlands neuesten Militärtechniken. Dieser Teil der Rede richtete sich sowohl nach innen als auch nach außen und enthielt auch konkrete Botschaften an den Westen. Die Gehirnwäscher werden das auf “Prahlerei” reduzieren, denn die Menschen sollen nicht verstehen, was passiert ist und was passieren wird. Jenseits der Matrix gibt es aber eine Realität und die Generäle weltweit kennen diese Realität und müssen darauf reagieren, ob es den Matrix-Betreibern passt oder nicht.

Putin hat bisher geheim gehaltene Militärsysteme enthüllt, gegen die die NATO machtlos ist. Putin hat den großen Kontext dieser Entwicklungen dargelegt, der sich wie folgt darstellt: In den 70er Jahren haben USA und Sowjetunion einen Vertrag über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen unterschrieben. Der Vertrag verpflichtete beide Seiten dazu, maximal eine Region des eigenen Landes gegen Angriffe von strategischen Langstreckenraketen zu schützen. Das heißt, beide Seiten verpflichteten sich dazu, verwundbar zu bleiben. Diese Verwundbarkeit gegenüber den Atomwaffen des Gegners hat dafür gesorgt, dass keine Seite ernsthaft auf den Gedanken kommen konnte, selbst einen Atomkrieg zu beginnen, denn man hatte keinen Schutz gegen den Gegenschlag. Das war die strategische Balance, von der Putin seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten immer wieder spricht. Diese Balance haben die USA auszuhebeln versucht, als sie 2002 einseitig den Vertrag gekündigt haben. Seitdem haben sie Raketenabwehrsysteme im eigenen Land und in Osteuropa aufgebaut. Analoge Abwehrsysteme in Ostasien sind in konkreter Planung. Dazu sind die US-Flotten ebenfalls mit Raketenabwehrsystemen ausgestattet worden und sind damit zu einer mobilen Erweiterung des Gesamtsystems geworden. Das strategische Gleichgewicht ist dadurch zerstört worden, denn die USA haben sich einseitig gegen russische Raketen geschützt, was zu dem Gedanken verleiten kann und verleiten wird, dass ein atomarer Erstschlag gegen Russland eine ernsthafte Option ist, denn mit all den aufgebauten stationären und mobilen Raketenabwehrsystemen kann der Gegenschlag bis zu einem akzeptablen Restrisiko abgefangen werden. Das reale Risiko für einen Atomkrieg wurde damit massiv in die Höhe geschraubt und Putin hat von Anfang an konsequent auf diese Gefahr hingewiesen, hat davor gewarnt und hat auch davor gewarnt, dass Russland eine Antwort geben wird. Bereits 2004 hat er auch schon im Detail angekündigt, wie die Antwort aussehen wird, aber er wurde nicht ernst genommen. Russland hat seine Ankündigung wahr gemacht. Die Antwort besteht darin, neuartige strategische Waffen zu entwickeln, gegen die das Raketenabwehrsystem der USA komplett machtlos ist. Diese neuen Systeme hat Putin präsentiert. Zusätzlich wurden bestehende ballistische Trägerraketen modernisiert, um ebenfalls wirksam zu bleiben. Details zu den Waffensystemen sind an dieser Stelle nicht notwendig – die betroffenen Generäle wissen bescheid oder werden sehr bald bescheid wissen. Das Entscheidende ist, dass die USA dagegen nackt sind. Damit ist die strategische Balance wieder hergestellt.

Putin betont den strategischen Charakter dieser neuen Waffensysteme. Strategisch bedeutet hierbei, dass sie einzig und allein dem großen atomaren Vernichtungskrieg und seiner Vermeidung gewidmet sind. Diese Waffensysteme sind dazu da, um niemals eingesetzt zu werden. Putin verweist auch noch mal auf die russische Militärdoktrin, die einen Einsatz strategischer Waffen nur als Reaktion auf einen atomaren Angriff oder einen sonstigen Vernichtungsangriff vorsieht. Der Einsatz dieser Systeme ist in allen übrigen Fällen, wie etwa in Syrien, ausgeschlossen.

Die USA hingegen haben ihre Militärdoktrin bereits aufgeweicht, was den Einsatz von Atomwaffen anbelangt. Der Grund dafür ist die weiter oben beschriebene Aushebelung der strategischen Balance, die der US-Führung erwartungsgemäß verantwortungslose Flausen in den Kopf gesetzt hat. Diesbezüglich hat Putin eine ganz klare Botschaft an den Westen:

In diesem Zusammenhang halte ich folgende Ankündigung für meine Pflicht. Jeglicher Einsatz von Atomwaffen gegen Russland oder Russlands Verbündete kleiner, mittlerer oder welcher auch immer Stärke, werden wir als einen Angriff auf unser Land erachten. Die Antwort wird blitzartig und mit allen daraus resultierenden Konsequenzen sein.

Niemand sollte diesbezüglich irgendwelche Zweifel haben. Es ist nicht nötig, neue Gefahren für die Welt zu kreieren, stattdessen sollte man sich an den Verhandlungstisch setzen und gemeinsam über ein neues, aussichtsreiches System der internationalen Sicherheit und der stabilen Entwicklung der Zivilisation nachdenken. Wir haben es euch immer gesagt. Alle diese Vorschläge bleiben in Kraft, Russland ist dazu bereit.

(….)

Wir sind interessiert an einer normalen, konstruktiven Zusammenarbeit mit den USA und der EU. Wir rechnen damit, dass der gesunde Menschenverstand obsiegen wird und dass unsere Partner eine ehrliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe wählen.

Selbst wenn unsere Positionen in manchen Punkten auseinander gehen, bleiben wir doch Partner, denn wir müssen gemeinsam Antworten auf schwierigste Herausforderungen finden, müssen für Sicherheit und Frieden sorgen, müssen die Zukunft gestalten, die immer vernetzter wird, in der Integrationsprozesse eine immer stärkere Dynamik entwickeln.

Das Zitat beginnt mit einer Warnung vor dem Einsatz von Atomwaffen. Die Addressaten sind zum einen die potentiellen Angreifer, wobei Israel noch klar vor den USA steht. Zum anderen richtet sich die Warnung genauso an Russlands Verbündete, denn die bekommen von Putin eine öffentliche Schutzgarantie gegen Atomwaffenangriffe. Der mit Abstand wahrscheinlichste reale Zwischenfall solcher Art ist ein israelischer atomarer Angriff auf Iran oder iranische Verbündete. Diese Schutzgarantie wird aber noch viel weiter reichen, denn sie ebnet den Weg für Europa, ein militärisches Bündnis mit Russland einzugehen und sich unter Russlands Schutzschirm zu verstecken. Genau darauf läuft es hinaus. Die Scheidung EU-USA läuft, ohne USA ist die EU militärisch nackt, aus eigener Kraft kann sich die EU in absehbarer Zeit nicht mal gegen eine israelische Dummheit schützen, geschweige denn gegen die USA oder Russland. Militärisch nackt zu sein bedeutet aber auch den Verlust von internationalen Verhandlungspositionen, was gleichbedeutend mit dem Niedergang ist. Der einzige Ausweg der EU ist der strategische Schutzschirm einer anderen Partei. Und da der Schirm der USA gerade verlassen wird, bleibt nur noch ein Land übrig, das in Frage kommt, um Europas strategische Sicherheitsprobleme zu lösen. Putins Zitat können wir die Einladung dazu entnehmen. Für Europa ist das eine große Chance. Alternativlos sogar, um es in Merkels Jargon auszudrücken.

Damit der Westen sich nicht in der Vielfalt der Möglichkeiten verläuft, hat Putin erklärt, was jetzt zu tun ist:

Jetzt gilt es, diese Realität zu begreifen, sich klar zu werden, dass alles, was ich vorhin gesagt habe, kein Bluff ist (und glauben Sie mir, das ist kein Bluff), nachzudenken, all jene, die im Gestern leben und nicht in die Zukunft zu blicken vermögen, in den verdienten Ruhestand zu schicken, aufzuhören, das Boot aufzuschaukeln, in dem wir alle sitzen und das sich “Planet Erde” nennt.

Wer diesem Rat nicht folgt und die alten transatlantischen Eliten, die den Knall immer noch nicht gehört haben, nicht absetzt, ist selbst schuld.