In diesem Beitrag werden Entwicklungen im Verhalten westlicher (inklusive israelischer) und iranischer gesellschaftlicher Entscheidungsträger während der letzten Monate auf kultureller, politischer und militärischer Ebene aufgezeigt. Es ergibt sich ein äußerst düsterer Ausblick.

Die kulturell-religiöse Komponente der wachsenden Spannungen

Im Februar rief die iranische Zeitung Hamshari einen Karikaturen-Wettbewerb zum Thema Holocaust unter dem fragenden Aktionstitel „Wo liegt die Grenze der westlichen Meinungsfreiheit?“ aus. Zwar wurden ausdrücklich auch israelische Karikaturisten zur Teilnahme eingeladen und von Initiatorenseite erklärt, es handle sich keineswegs um eine Vergeltungsaktion, doch ist der zeitliche Zusammenhang zum vorherigen Eklat im Gefolge der Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung Jllands Posten unübersehbar.

Laut WorldNetDaily hätten (bis zum 14.03.2006) bereits mehr als 200 Karikaturisten aus 35 Ländern mehr als 700 Beiträge eingereicht. Mehrheitlich stammten die Karikaturen zwar von Iranern, doch hätten auch sechs US-Bürger teilgenommen. So ist Mike Flugennocks Karikatur übertitelt mit der Frage „Was Ariel Scharon aus dem Holocaust gelernt hat?“ und zeigt Zeichnungen aus dem tristen, von israelischen Planierraupen und Gewehrläufen geprägten, palästinensischen Alltagsleben sowie die diese erläuternden Antworten „Erniedrigung“, „Brutalität“, „Tyrannei“ und „Mord“. Flugennock betonte, seine Karikatur sei „nicht antisemitisch, sondern legitime politische Kritik – weil sie nicht das jüdische Volk oder ihre Religion kritisiere, sondern die israelische Politik gegenüber Palästina“, so der Scotsman ebenfalls am 14.03.2006.

Weitgehend unaufgegriffen blieb in der deutschen bzw. westlichen Mainstream-Medienlandschaft bislang, was aus dem Iran im Zusammenhang mit der dort stattfindenden „Holocaust-Konferenz“ verlautet. Laut Iran Focus war ihr Beginn für den 07.03.2006 angesetzt.

Roee Nahmias vom israelischen Informationsdienst Ynet berichtete jedoch am 12.03.2006 über die Reise von fünf Rabbis der Neturei-Karta-Bewegung, die sowohl als antizionistisch als auch ultraorthodox gilt.
Einer dieser Rabbis, Delegationsleiter Dovid Weiss, der vom iranischen Fernsehen interviewt worden sei, wurde daraus wie folgt zitiert: „Die Zionisten benutzen das Holocaust-Thema zu ihrem eigenen Vorteil. Wir, Juden, die im Holocaust zugrunde gingen, nutzen ihn nicht, um unsere Interessen voranzubringen. Wir betonen, daß es hunderttausende Juden in aller Welt gibt, die sich mit unserer Opposition gegen die zionistische Ideologie identifizieren und die spüren, daß Zionismus nicht jüdisch ist, sondern eine politische Agenda.“

 
 
 
 
 
 

Die fünf Rabbis bei ihrer Ankunft am Flughafen in Teheran
                                  Die Rabbis zu Gast beim iranischen Vizepräsidenten

Und Rabbi Weiss weiter: „Was wir wollen, ist nicht ein Rückzug zu den Grenzen von 1967, sondern von allem, was darin beinhaltet ist, so daß das Land zu den Palästinensern zurückkehren kann und wir mit ihnen leben könnten… natürlich sind wir gegen die Idee eines zionistischen Staates. Zionismus wurde von Theodor Herzl etabliert – er und seine Nachfolger wandten sich gegen den Willen Gottes.“ – „Das ist der Grund, warum wir Herrn [Ken] Livingston [den Bürgermeister von London] unterstützen, der das kritisierte. Er hat recht und ist kein Antisemit.“
Rabbi David Shlomo Feldman ergänzte: „Ich kam in den Iran um klarzustellen, daß der Staat Israel nicht alle Juden repräsentiert. Er mag seine eigenen Ideen repräsentieren, die ein von den Ideen des jüdischen Volks weit entfernter Schlachtruf sein mögen.“
Rabbi Aharon Cohen habe auf einer Pressekonferenz im Iran gesagt, daß die „Zionisten in fast jedes Verbrechen rund um den Globus involviert seien, aber leider beanspruchten, daß sie das jüdische Volk repräsentieren würden“.

Die Jerusalem Post berichtete bereits am 08.03.2006, daß laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA Rabbi Weiss die „aufklärenden“ Stellungnahmen Ahmadinedschads zum Holocaust gelobt hätte. Gegenüber Irans staatlichem Radiosender IRIB habe die Delegation zur „Desintegration des zionistischen Regimes“ aufgerufen und erklärt, es sei eine gefährliche Ablenkung, vorzugeben, der iranische Präsident sei eine antijüdische oder antisemitische Persönlichkeit“.

Ebenfalls bei Ynet führte dies am 13.03.2006 zu einem wütenden Kommentar seitens Noah Kliger, betitelt mit: „Ahmadinedschads Freunde – geisteskranke Juden, die Teheran besuchten, müssen sich anläßlich des Purim-Festes als Rabbis verkleidet haben.“ Am Ende seines Kommentars erläutert er hierzu: „Ich werde Ihnen erzählen, warum ich so denke: Als Jude, dessen Wurzeln nach Auschwitz zurückführen, und als direkter Nachkomme der Rabbis Yonatan Eibschwitz und Shlomo Kliger weigere ich mich einfach zu glauben, daß Rabbis in der Weise dieser jüdischen Holocaust -Leugner handeln und reden könnten. Die jüdische Geschichte hat keinen Mangel an abscheulichen Wahnsinnigen wie diesen Männern. Sie hat alle von ihnen ausgespieen.“

Ein anderes hierzulande ziemlich untergegangenes Thema betrifft Altkanzler Helmut Kohl. Iran Focus berichtete am 06 .03.2006, der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl habe Geschäftsleuten in Deutschland erzählt, er stimme mit Stellungnahmen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad überein, wonach der Holocaust ein „Mythos“ sei. Dies wäre gleichentags der halboffiziellen Zeitung Jomhouri Islami zu entnehmen gewesen.

Kohl habe sich bei einem Gala-Dinner mit iranischen Hoteliers und Unternehmern als „herzlich einig“ mit Ahmadinedschads Holocaust-Äußerungen bezeichnet. „Was Ahmadinedschad über den Holocaust gesagt hat, war in unserer Brust.“ Und: „Seit Jahren wollten wir das sagen, aber wir hatten nicht den Mut, es auszusprechen.“ Eine Nachrichtenseite iranischer Studenten soll Gleiches berichtet haben. Das Erstaunliche an dieser Schilderung ist nun nicht unbedingt, daß Kohl selbst kein empörtes Dementi von sich gab, denn dies könnte man noch als „unter seiner Würde“ abtun. Überraschend ist aber, daß praktisch kein deutsches Mainstream-Medium sich dieser atemberaubend anmutenden Behauptung über Kohl annahm. Wie kann das sein? Sonst läßt sich die “Medienmeute” seit Monaten keine Gelegenheit entgehen, um den Iran als “hinterhältigen Schurkenstaat” abzustempeln. Und ausgerechnet ein “unterstelltes Zitat” – so gewiß der bundesrepublikanisch-gesellschaftliche Konsens – in Bezug auf einen Altkanzler soll man sich hierfür entgehen lassen? Das wirft Fragen auf, ob sich und was genau Kohl zu dem brisanten Thema wirklich geäußert hat.

Es blieb WorldNetDaily (WND) vorbehalten, eine Anfrage an das Büro Kohls zu richten. Am 08.03.2006 war zu lesen: „Helmut Kohls Büroleiter teilte WorldNetDaily mit, daß der ehemalige Bundeskanzler die Behauptung einer iranischen Zeitung zurückweise, wonach er mit der Einschätzung des iranischen Präsidenten Ahmadinedschads übereinstimme, der Holocaust sei ein Mythos. Kohl ´weist die unterstellten Zitate entschieden zurück´, teilte Lutz Stroppe in einer e-Mail mit. ´Die Zitate sind völlig aus der Luft gegriffen und die Meldung [ist] ohne jede Grundlage.´ “
Diese Art von Dementi in Form einer e-Mail eines Angestellten als einzige Reaktion aus dem deutschen Establishment bleibt allerdings weiterhin höchst merkwürdig und angesichts der Tragweite der Behauptung unbefriedigend.

Die westlich-außenpolitische Komponente

Im Gegensatz zur Phase vor dem Krieg der USA und der „Koalition der Willigen“ gegen den Irak ab dem 20.03.2003 ist nunmehr von irgendeinem – selbst wenn nur äußerlich vorgetragenen – Widerstand der politischen Führungen Frankreichs und Deutschlands gegen eine stetige Verschärfung des politischen Kurses gegenüber dem Iran nichts zu spüren. Schon die Gespräche der sog. EU-3 hatten den Beigeschmack, eine absehbar von iranischer Seite abgelehnte völlige Preisgabe der nationalen Souveränität und des unbestreitbaren internationalen Rechts auf Entwicklung und Nutzung der Kernernergie zu verlangen.

Kanzlerin Merkel behauptete dann Anfang Februar auf der sog. NATO-Sicherheitskonferenz in München, der Iran habe bewußt „die rote Linie“ überschritten, was auch immer sie damit meinte und wodurch auch immer sie das als gegeben ansah.

Und Präsident Chiracs Drohungen zum ggf. von ihm befohlenen Ersteinsatz der Force de Frappe wurden allgemein und umgehend als gegen den Iran gerichtet interpretiert.

Der Hardliner John Bolton, der von George W. Bush trotz massiven Kongreß-Widerstands trickreich zum US -Botschafter bei der UNO ernannt wurde, erklärte am 05.03.2006 auf einer AIPAC-Konferenz: „Unser Engagement für Israels Sicherheit und die Allianz zwischen den Vereinigten Staaten und Israel sind unerschütterlich.“ – „Je länger wir warten, der Bedrohung, die der Iran darstellt, zu begegnen, desto schwerer und schlechter lenkbar wird dies zu lösen sein .“ – „Dem iranischen Regime muß bewußt gemacht werden, daß es – wenn es auf dem Pfad der internationalen Isolierung weiter geht – spürbare und schmerzhafte Konsequenzen geben wird.“

In einer beispiellos intensiven Kampagne, einem wahren Trommelfeuer führender US-Politiker zur Einstimmung der eigenen und der Weltbevölkerung auf einen harten, sprich letztlich auch militärischen Kurs gegen den Iran, fehlten denn auch nicht Vizepräsident Cheney und Außenministeriumsstaatssekretär Nicholas Burns. Spiegel Online zitierte ersteren am 07.03.2006 so: „Die iranische Führung muss wissen, dass – wenn sie auf ihrem bisherigen Kurs bleibt – die internationale Gemeinschaft auf bedeutungsvolle Konsequenzen vorbereitet ist.“ Die USA hielten sich „alle Optionen“ offen. Und Burns habe zuvor gemeint, die Welt müsse eine kompromißlose Haltung einnehmen, sobald der Streit vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen komme.

Für US-Außenministerin Condoleezza Rice stellt der Iran „möglicherweise die größte Bedrohung für die USA“ dar, die von einem einzelnen Land ausgeübt werde. Als so gefährlich sei nicht einmal der Irak eingeschätzt worden, bevor sich die USA anschickten, die Welt von erfundenen irakischen Massenvernichtungswaffen zu befreien, so Werner Pirker in der jungen Welt vom 11.03.2006.

Am 13.03.2006 erläuterte George W. Bush Zuhörern an der George-Washington-Universität: „Koalitionsstreitkräfte [im Irak, RK] haben IEDs [improvisierte Sprengsätze, RK] beschlagnahmt, die eindeutig im Iran produziert wurden. (…) Solche Aktionen – zusammen mit Irans Unterstützung des Terrorismus und seinem Streben nach Atomwaffen – isolieren den Iran zunehmend, und Amerika wird fortfahren, die Welt zu drängen, sich diesen Bedrohungen zu stellen.“ Abgesehen davon, daß die Vorwürfe der US-Administration, daß vom Iran eine nukleare Bedrohung ausgehe, jeder nachweisbaren Grundlage entbehren, sind auch die IED-Vorwürfe bizarr, insbesondere auch weil keineswegs neu. Erst im Januar hatte sich nämlich das britische Militär bei Teheran entschuldigt, weil es keinerlei Beweise für eine Beteiligung der iranischen Regierung gäbe. Die zunehmenden Bedenken britischer Militärs über die politisch-militärische Vorgehensweise der USA werden ohnehin immer unübersehbarer.

Diese Kampagne der US-Politik wird jedoch nicht wirkungslos bleiben. Dabei dürfte die US-Bevölkerung schon Ende Januar vergleichsweise fest darauf eingeschworen gewesen sein, ggf. auf militärische Maßnahmen gegen den Iran zurückzugreifen. Jedenfalls berichte am 28.01.2006 die Netzzeitung über das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die von der Los Angeles Times und der Wirtschaftsagentur Bloomberg in Auftrag gegeben worden war. Demnach hätten 57 Prozent einen Militärschlag befürwortet, sollte der Iran seine Nuklearpläne weiter vorantreiben. Die ständige Verwendung der zweideutigen Begriffe “Atomplanungen” oder “Nuklearpläne” (anstatt “Pläne zur friedlichen Kernenergienutzung”) stellt für sich bereits ein Moment der medialen Manipulation dar (s. nächster Abschnitt).

Laut einem Bericht des Sydney Morning Herald, auf  den bei FREACE.DE näher eingegangen wurde, bemühen sich die USA, den UN-Sicherheitsrat dazu zu bringen, dem Iran ein Ultimatum von zwei Wochen zu setzen, um seine vorgeblichen Arbeiten zur Erlangung von Atomwaffen einzustellen. US-Präsident George W. Bush hätte den Iran als „ernste Sorge für die Nationale Sicherheit“ bezeichnet. Kaum überraschend stellte sich der britische Premierminister Tony Blair an Bushs Seite und sagte, sollte der Iran seinen globalen Verpflichtungen nicht nachkommen, so werde dies zu einer „ernsten Lage“ führen.
Noch deutlicher sei der derzeit amtierende israelische Premierminister Ehud Olmert geworden. „Wir können keinesfalls die Möglichkeit einer Atombombe in iranischen Händen akzeptieren“, habe er gesagt und damit letztlich nicht den geringsten Spielraum für jegliche – auch ausschließlich friedliche – Ambitionen des Irans gelassen, da eine hundert-prozentige Sicherheit aus israelischer Sicht niemals zu erreichen wäre.

Am 11.03.2006 berichtete Yaakov Katz in der Jerusalem Post von einem hochrangigen Beamten des israelischen Verteidigungsministeriums, der geäußert habe, „die Vereinigten Staaten hätten bislang nicht genug getan, um den Iran davon abzuhalten, Nuklearwaffen zu erhalten.“ Wörtlich habe er erklärt: „Bisher hat die US-Administration lediglich scharf dahergeredet, aber es ist jetzt die Zeit für die Amerikaner gekommen, auch harte Aktionen in Angriff zu nehmen.“ Neben militärischen Aktionen seien harte Wirtschaftssanktionen, die das iranische Volk leiden lassen, der einzige Weg, um Irans Wettlauf um den Erhalt der Bombe zu stoppen.

Doch es gibt auch Widerstand gegen diesen Kurs der eskalierenden Spannung, wenngleich dieser viel seltener in den führenden westlichen Medien aufgegriffen wird. Paul Craig Roberts, bekannter Republikaner, Journalist und ehemals hoher Beamter der Reagan-Administration, alarmiert seit einiger Zeit die Öffentlichkeit: „Die Bush-Administration ist verrückt. Sollte das amerikanische Volk sie nicht durch ein Amtsenthebungsverfahren ihrer Führung berauben, wird die Bush-Administration Armageddon veranstalten.“

Der Züricher Tages-Anzeiger veröffentlichte am 02.03.2006 ein Interview mit Paul Craig Roberts. Die republikanische Partei sei von den sog. Neokonservativen „gekapert“ worden, weshalb er sie jetzt „die Partei der Braunhemden“ nenne, so Roberts. „Bush sollte vom Kongress angeklagt und nach seiner Entfernung aus dem Amt nach Den Haag überstellt und als Kriegsverbrecher angeklagt werden – genauso wie Vizepräsident Cheney, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz  und Condoleezza Rice. Bei den Opfern im Irak handelt es sich hauptsächlich um Zivilisten.“

Für eine Verschärfung des konkreten weiteren Vorgehens gegen den Iran wird das Verhalten des Weltsicherheitsrates, und dabei insbesondere der Veto-Mächte Rußland und China, von zentraler Bedeutung sein. Der russische Außenminister Lawrow erklärte am 13.03.2006 in einem Interview mit der Zeitung Wremja Nowosti zu Gerüchten über einen seitens der Bush-Regierung angebotenen „deal“: „Ein deal – wie sollte der aussehen? Worum sollte es dabei überhaupt gehen? Wir treten der WTO bei, und dann erlauben wir den Amerikanern, den Iran zu bombardieren – ist etwa das damit gemeint?“ – „Wir bestehen darauf, daß die IAEA weiter daran arbeitet. Manchmal schlagen unsere westlichen Partner einen anderen Weg vor: ´Da die Situation unklar ist, müssen wir uns beeilen und den Druck durch die Verhängung von Sanktionen erhöhen´.“
Doch dies sei mit Rußland nicht zu machen. Die russische Position sei vielmehr, jeden davon abzuhalten, einen Krieg auszulösen.
„Jede Eskalation des Iranfalles wäre direkt gegen unsere Interessen gerichtet. Iran liegt sehr nahe an unseren Grenzen, und deshalb ist jede Anwendung von militärischer Gewalt für uns nicht akzeptabel. Wir werden über den Iran keinen ´deal´ abschließen. Wir tauschen in dieser Frage unsere Meinungen aus – über den nächsten Schritt. Wir entwickeln eine Strategie, mit der wir jeden davon abhalten können, in dieser Situation eine Explosion auszulösen; deshalb werden wir es nicht zulassen, daß der Iran isoliert oder in die Enge getrieben wird. Denn diejenigen, die mit dem Rücken zur Wand stehen, handeln nicht völlig rational.“

Westliche Medienmanipulationen

Bei Arbeiterfotografie.de erschien kurz vor Mitte März der Artikel “‚Israel von der Landkarte löschen‘ – Der Krieg gegen den Iran hat längst begonnen: Über die angeblichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad.” Darin werden massive und flächendeckende Manipulationen westlicher Medien aufgezeigt, mit denen Äußerungen der politischen Führung Irans verfälscht und vom Sinngehalt her verschärft wiedergegeben wurden. So habe Ahmadinedschad nicht wie unterstellt davon gesprochen, Israel „von der Landkarte“ zu „tilgen“, wahlweise auch „auszulöschen“ oder zu „fegen“. Er habe vielmehr am Beispiel der früheren Beseitigung des persischen Schah-Regimes von der stets gegebenen Möglichkeit der „Beseitigung eines Besatzungsregimes“ gesprochen, was selbst auf die heutigen palästinensischen Verhältnisse übertragen etwas völlig anderes ausdrücke, das Wort Landkarte komme in der Originalrede nicht einmal vor. Ein anderes Beispiel von Manipulation sei, daß aus „neue Bewegung in Palästina“ flugs „neue Anschlagswelle in Palästina“ wurde. Auch die westliche Unterstellung, Ahmadinedschad habe gefordert, der Staat Israel solle in eine andere Weltgegend verlegt werden, etwa „nach Europa, in die USA, nach Kanada oder Alaska“, laute im Original essentiell anders: „Wenn Ihr die Juden verbrannt habt, warum stellt Ihr dann nicht ein Stück von Europa, der USA, Kanadas oder Alaskas für Israel zur Verfügung. Unsere Frage ist: wenn ihr dieses gewaltige Verbrechen begangen habt, warum soll dann die unschuldige Nation von Palästina für dieses Verbrechen bezahlen?“ Auch die Ahmadinedschad nachgesagte „Leugnung des Holocaust“ stelle sich anders dar. Westliche Medien berichteten überwiegend sinngemäß z.B. wie folgt: „Der ´Mythos vom Massaker an den Juden´ werde in den westlichen Staaten ´höher gestellt als Gott, die Religionen und die Propheten´.“
Doch eine näher an der Originalaussage liegende Übersetzung lautet in bedeutsamer Weise anders: „Sie haben im Namen des Holocaust einen Mythos geschaffen und schätzen diesen höher als Gott, die Religion und die Propheten.“
Eine kaum medial aufgegriffene Reuters-Meldung vom 21.2.2006 habe zudem bestätigt: „Der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki hat […] dementiert, dass sein Land den jüdischen Staat Israel ´von der Landkarte tilgen´ wolle. […] Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad sei falsch verstanden worden. ´Niemand kann ein Land von der Landkarte entfernen.´ Ahmadinedschad habe nicht den Staat Israel sondern das dortige Regime gemeint […]. ´Wir erkennen dieses Regime nicht als rechtmäßig an´.“ Mottaki habe auch den Holocaust nicht bestritten.

Dies wird auch durch andere Quellen und Aussagen gestützt. Der strategische Analyse-Dienstleistungsanbieter Stratfor zitierte Anfang März den früheren iranischen Präsidenten Mohammed Khatami, wonach der Holocaust eine „historische Realität“ sei, die anzuerkennen sei, auch wenn dies „mißbraucht“ würde. Die Leute sollten aufbegehren, „wenn auch nur ein einziger Jude getötet“ würde. Die Führer Israels seien „zwar Opfer des Faschismus“ gewesen, aber sie würden ebenfalls eine „faschistische Politik“ praktizieren.

Bei Telepolis warnte Georg Meggle, Professor für Philosophie an der Universität Leipzig, schon am 18.01.2006: „Das Drehbuch der damaligen [Irak-] Kriegsinszenierung war perfekt. Und wenn wir aus dieser nicht gelernt haben, so doch sicher die Kriegsregisseure. Und die Medien werden auch diesmal ihr Bestes tun.“

Auch der mittlerweile obligatorisch anmutende, weil günstigerweise regelmäßig kriegsvorbereitende Hitler-Vergleich durfte da medial nicht ausbleiben. Ahmadinedschad figuriert jedoch in der aktuellen Rangliste nur auf Platz 3, hinter den in jüngster Vergangenheit klar favorisierten bisherigen „Wiedergängern“ Saddam Hussein und Slobodan Milosevic. Bei letzterem kämpft das sog. Haager Kriegsverbrechertribunal allerdings aktuell verzweifelt gegen den sich nahezu zwingend aufdrängenden Verdacht, beim Tod dieses bislang juristisch nicht greifbaren, ergo überaus unliebsamen „Delinquenten“ mit in sein Essen vermengten Lepra-/Tuberkulose-Mitteln für den strengstens video-überwachten Untersuchungshäftling nachgeholfen zu haben.

Militärische Vorbereitung eines Angriffskrieges

Bereits am 11.12.2005 hatte die britische Sunday Times berichtet, daß die israelischen Streitkräfte von Ariel Scharon angewiesen worden seien, bis Ende März 2006 darauf vorbereitet zu sein, mögliche Militärschläge gegen geheime iranische Urananreicherungsanlagen durchzuführen.

Am 05.03.2006 berichtete die Sunday Times dann unter der Schlagzeile „NATO könnte den USA bei Luftschlägen gegen den Iran helfen“ unter Berufung auf israelische Quellen, daß bereits Israels Special Forces im Iran seien, um dringend zu versuchen, geheime Urananreicherungsquellen ausfindig zu machen. Einige verdächtige Stellen seien letztes Jahr gefunden worden, aber es müsse noch mehr geben. Sie würden mit Billigung der Amerikaner von einer Basis im Nordirak aus operieren und von israelischen Soldaten gedeckt.

Der bekannte kanadische Wirtschaftsprofessor und Globalisierungskritiker Michel Chossudovsky warnt seit Monaten davor, daß ein Nuklearangriff auf den Iran drohe.

Die Wochenzeitung FREITAG griff dies am 27.01.2006 auf: „Bereits im November 2005 hatte das US Strategic Command eine Übung für einen ´Global Lightening´ genannten Operationsplan abgehalten, bei der Angriffe mit konventionellen und atomaren Waffen gegen einen ´fiktiven Feind´ simuliert wurden. Danach gab das US -Oberkommando einen ´fortgeschrittenen Bereitschaftszustand´ bekannt.“
Der Zeitpunkt der Operation habe nahegelegt, daß ein Militärschlag gegen den Iran durchgespielt wurde.
„Die aufgerufene Kriegsagenda beruht auf der Doktrin des ´präemptiven Nuklearkriegs´, wie sie von der Bush-Administration mit der Nuclear Posture Review (NPR) von 2002 formuliert wurde, und schließt den Einsatz von Kernwaffen gegen den Iran bei ´chirurgischen Schlägen´ nicht aus. Nach einer Entscheidung des US-Senats von 2003 scheint die Zeit inzwischen reif zu sein, eine neue Generation taktischer Kernwaffen – der ´low yield mini-nukes´ mit einer Explosionskraft von bis zu sechs Hiroshima-Atombomben – einzusetzen, die als ´sicher für Zivilisten´ apostrophiert werden, da die Waffe unter der Erde detoniert.“ (…)
„Die operative Umsetzung eines solchen Vorgehens trägt den Code-Namen Concept Plan (´Conplan´) 8022 – das Planungstableau für strategische Szenarien, die Kernwaffen einbeziehen.“ (…)
„Gemäß diesem strategischen Kalkül und in Erwartung eines Angriffs auf den Iran hat die israelische Armee seit Ende 2004 in den USA hergestellte konventionelle und nukleare Systeme eingelagert. Diese Vorratsbildung … umfasste neben Fernlenkraketen auch 500 ´Bunker Buster Bombs´ (Bunkerbrecher), die mit Kernsprengköpfen bestückt werden können . Vorzugsweise handelt es sich um B61-11, die ´Nuklearversion´ der konventionellen BLU-113. Allerdings ist die Fähigkeit von B61-11, in die Erde einzudringen, ziemlich begrenzt. Tests zeigen, dass sich diese Bombe nur sechs bis sieben Meter tief in trockenen Boden wühlt, wenn sie aus einer Höhe von etwa 13.000 Metern abgeworfen wird. Trotzdem wird – verglichen mit einer Detonation an der Oberfläche – ein viel größerer Anteil der Explosionsenergie in Erschütterungen des Bodens übertragen. Jeder Versuch, sie in einer städtischen Umgebung einzusetzen, würde daher eine große Zahl ziviler Opfer zur Folge haben. Sogar bei einer Bombe kleineren Kalibers, mit einer Explosionskraft bis zu 300 Kilotonnen, wird die Druckwelle einen riesigen Krater aufreißen und eine tödliche Gamma-Strahlung auslösen.“

Dies entsetzliche Szenario erhielt weitere Plausibilität durch einen unfaßbaren Kommentar in der Welt vom 25.01.2006 . Unter dem Titel „Verleugnete Bedrohung“ schrieb Lord George Weidenfeld :

„Dieses Regime [gemeint ist das iranische, RK] ist ein Gemisch aus populistischer Gossen-Demagogie und religiösem Fanatismus, Bilderstürmerei und dem Lechzen nach moderner Technologie – ein tödliches Elixier des Teufels. Teherans Fixierung auf die Vernichtung Israels, die Dämonisierung des Weltzionismus und die Holocaust- Leugnung sind wohl ernst gemeint, aber nur eine erste Haltestelle auf dem Weg zu einem islamistischen Weltreich.
Was wären die Alternativen zu einer Politik der Konzessionen? Gibt es eine Lösung ohne den Willen, bis zum äußersten zu gehen, bevor Kernwaffen von der iranischen Führung bestenfalls als Erpressungsmittel, aber sehr wahrscheinlich auch für einen militärischen Einsatz genutzt werden? Das Risiko einer militärischen Intervention könnte zwar Opfer in Größenordnungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs mit sich bringen, doch der Triumph des islamistischen Terrors würde an Gräßlichkeit alles über- bieten, was uns die Weltgeschichte vermittelte.“

Quelle der Fotomontage:
www.arbeiterfotografie.de/galerie/kein-krieg/hintergrund/iran/weidenfeld-plakat-internet.jpg

Dazu führt Arbeiterfotografie.de detailliert folgendes aus:
„´Die Welt´ bietet ihrem Schreiber damit ein Forum für die Aufstachelung zum Angriffskrieg. Schreiber und Redaktion der Zeitung machen sich des Vergehens gegen § 80a des Strafgesetzbuchs der Bundesrepublik Deutschland schuldig, in dem es heißt:
´Wer im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zum Angriffskrieg (§ 80) aufstachelt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.´
Der Paragraph des Strafgesetzbuches basiert auf Artikel 26 des Grundgesetzes: ´Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.´
´Die Welt´ verstößt mit ihren Auslassungen dagegen. Sie handelt ganz offensichtlich in der verfassungswidrigen Absicht, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. Sie stellt sich damit außerhalb des Grundgesetzes und macht sich somit strafbar.“
Der Verfasser dieser erschütternden Kolumne in der Welt, Lord George Weidenfeld, ist u.a. Fellow des ´Centrum für angewandte Politikforschung C·A·P – Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft´, dessen Direktor das Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld ist.
Einem  lexikalischen Eintrag ist zudem dies zu entnehmen: „Weidenfeld, George, Lord (eigentlich  Arthur Weidenfeld), * 13.9.1919 Wien, Verleger. Emigrierte 1938 nach Großbritannien, Mitarbeiter der BBC, 1945 Gründung des Magazins „Contact“. 1948 (mit N. Nicolson) Gründung des Verlags Weidenfeld & Nicolson, heute eines der größten britischen Verlagshäuser. 1949/50 Berater des israelischen Präsidenten C. Weizmann. 1969 in den Ritterstand erhoben, seit 1976 als Lord Mitglied des britischen Oberhauses. Britischer und seit 1994 auch wieder österreichischer Staatsbürger.“
Er wurde u.a. ausgezeichnet mit der Ehrendoktorwürde der Ben-Gurion-Universität, dem Order of the British Empire, dem deutschen Bundesverdienstkreuz und dem österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. 1997 wurde er Ehrensenator der Universität Bonn. Bundeskanzler Kohl sprach die Laudatio. Am 17.05.2003 hatte er – ebenfalls in der Welt – die EU-Aufnahme Israels gefordert.

Solche barbarischen Androhungen wie die in der Welt-Kolumne muß man gewiß überaus ernst nehmen. Der frühere israelische Generalstabschef Mosche Ja´alon erläuterte laut Ynet (09.03.2006) vor dem Washingtoner Hudson Institute etwaige Militäroptionen gegen den Iran: „Es wird die Notwendigkeit geben, einige Dutzend Stellen anzugreifen. Die Luftstreitkräfte Israels, der USA und Europas können dies ausführen.“ Und: „Israel hat die Fähigkeit, das iranische Luftabwehrsystem zu unterbrechen. Israel kann Iran auf verschiedenen Wegen schlagen, nicht nur durch einen Luftangriff. Israel verfügt über weitere Fähigkeiten.“ Außerdem: „Der israelische Schlag kann präzise sein wie bei einer gezielten Tötung. So wie es uns gelingt, einen einzelnen Terroristen zu treffen, können wir auch eine Nuklearanlage treffen, ohne größeren Schaden für die Umwelt  anzurichten oder Unschuldige zu schädigen.“ Diplomatische Quellen in Jerusalem hätten empört reagiert und diese Kommentare als „völlige Verrücktheit“ und „nationale Unverantwortlichkeit“ bezeichnet.

Die Welt am Sonntag schrieb hierzu hingegen am 12.03.2006 in deutlich weniger zurückweisender Weise, daß Israels Verteidigungsminister Schaul Mofas die Äußerungen „unnötig“ genannt habe. Der Chef der Luftwaffe, Eitan Ben-Elijahu, habe gewarnt, es sei gefährlich, Militäroptionen öffentlich zu diskutieren. „Warum sollten wir für den Rest der Welt den Kopf hinhalten?“ fragt der israelische Iran-Experte Meir Litvak von der Universität Tel Aviv. So herum kann man die Frage natürlich auch stellen. Vielen Soldaten der USA und in der NATO dürfte das auch in den Kopf kommen, allerdings mit Sicherheit mit einem anderen Tenor.

Doch wird sich Krieg noch verhindern lassen? Entschiedener Widerstand tut not! Auch ohne Billigung des Weltsicherheitsrats ist schließlich mit einem brutalen Losschlagen zu rechnen, wie zuletzt der Angriff auf den Irak zeigte.

Der russische Ultranationalist Schirinowski meinte Mitte Februar, ein US-Angriff auf den Iran sei „unausweichlich“. Das Datum für den Angriff stünde bereits fest – nämlich der 28.03.2006, das sei der Wahltag in Israel. Dies ist natürlich nicht unbedingt glaubwürdig, liegt aber dennoch verdächtig nahe am Datum für den Neumond Ende März (29.03.2006). Für etwaige großangelegte Luftangriffe wird Neumond als Termin bevorzugt, um optisch gestützte Luftabwehrmaßnahmen weitestgehend zu erschweren.

Michel Chossudovsky jedenfalls schloß aufgrund dieser unübersehbaren, dramatischen Entwicklungen äußerst düster: „Die Konsequenzen sind erschütternd. Die sog. internationale Gemeinschaft hat die Möglichkeit eines nuklearen Holocaust akzeptiert. Diejenigen, die entscheiden, sind von ihrer eigenen Kriegspropaganda geblendet. Zu Luftangriffen mit taktischen Kernwaffen gibt es einen politischen Konsens in Westeuropa und Nordamerika, ohne die verheerenden Folgen in Betracht zu ziehen. Dieses profitorientierte militärische Abenteuer bedroht letztlich die Zukunft der Menschheit.“

Von rbk