Der Angeklagte, Robert Höschele, hatte am 14. Februar 2021 auf dem Marienplatz in München auf einer die staatlichen Coronamaßnahmen deutlich kritisierenden Versammlung eine gut 20-minütige Rede gehalten.
Daran störte sich damals weder die zahlreich vertretene Polizei noch ein Teilnehmer noch ein Passant.
Doch 9 Monate später [sic!] erstattete urplötzlich der Verein „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern“ (RIAS Bayern) Anzeige gegen Höschele.
Als Zeuge wurde bei der Berufungsverhandlung – erneut – ein Kriminalpolizeibeamter des Kriminalfachdezernats 4 (für politisch motivierte Straftaten) vernommen, der die Ermittlungen durch teilweises Verschriften der im Internet aufrufbaren Rede Höscheles vorangetrieben hatte. Denn die Staatsanwaltschaft bestätigte prompt einen Anfangsverdacht auf Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB („Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“), und in 1. Instanz verhängte das Amtsgericht eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Im Urteil wurde unter anderem verschwiegen, dass Höschele selbst Jude ist und Angehörige und Glaubensbrüder von ihm Opfer der Judenverfolgung während der NS-Zeit wurden.

Gegen das Urteil legte Höschele über seinen Rechtsanwalt (unbestimmtes) Rechtsmittel ein (es war Sprungrevision geplant), doch die Staatsanwaltschaft Berufung, wobei sie sich hinter dem Argument versteckte, sie habe nicht die im Plädoyer beantragten 130 Tagessätze an Geldstrafe erreicht, die Strafe werde dem Charakter des Angeklagten und der Schwere der Tat nicht gerecht. Somit war der Weg zur Sprungrevision versperrt und zwingend eine Berufungsverhandlung anzusetzen, welche am 6. Juni 2023 von 9 Uhr bis kurz vor 13 Uhr im Landgericht München I vor der 18. Strafkammer unter Vorsitz der Richterin Renate Baßler stattfand.

Das Amtsgericht hatte sich im Urteil besonders an zwei Sätzen in der Rede gestört (unten hervorgehoben), von der ein Auszug folgt:

Vor 75 Jahren, inmitten von turmhohen Trümmerbergen, inmitten von ausgebrannten Kirchen, Theatern und Museen, inmitten von Massengräbern und Millionen von Verwundeten, Vertriebenen, Verschleppten, inmitten von ausgebombten Heimatlosen und in der Seele Zerstörten, wurde folgende Präambel dem Verfassungstext vorangestellt:

„Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges geführt hat,  in dem festen Entschluss, den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechtes dauernd zu sichern, gibt sich das bayerische Volk, eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte nachstehende demokratische Verfassung.“

[1] Doch 75 Jahre später steckt der Freistaat und seine Menschen in einem 11 Monate dauernden Gefängnis, das einem Arbeitslager gleicht, das die Regierung Lockdown nennt.
75 Jahre im Wesensgehalt unantastbare Grundrechte angetastet, Hygiene und Repression über die Freiheit des Menschen gestellt.
[2] 76 Jahre nach der Befreiung von Vernichtungs- und Konzentrationslagern, wie Auschwitz und Dachau, werden Gesetze beschlossen, die das Internieren und Separieren von Menschen vorschreiben.
77 Jahre nach der Hinrichtung der Patrioten des Gewissens um Graf Stauffenberg, einem gebürtigen Bayer, und 78 Jahre nach den Enthauptungen der Helden der Weißen Rose hier in München Stadelheim werden wieder Menschen öffentlich in den Medien hingerichtet, weil sie es wagen, der offiziellen Wahrheit zu widersprechen. Beamte versetzt und suspendiert, weil sie es wagen, ihren feierlich gelobten Eid auf die Verfassung zu erfüllen und ihrem Gewissen zu folgen. 86 Jahre nach der Verkündung der Nürnberger Rassengesetze wird in diesem Land aufs Neue über die Einteilung der Menschen nach wertvollen und weniger wertvollen, nach Menschen mit mehr und Menschen mit weniger Freiheiten geredet, nein, es wird sogar von der Bundeskanzlerin zur besten Sendezeit auch so verkündet. 88 Jahre nach dem himmelhoch lodernden Scheiterhaufen aus Büchern weltberühmter Geistesgrößen, auch hier in München am Königsplatz, als Beginn der kulturellen Barbarei der NS-Diktatur, werden heute Accounts von sogenannten Corona-Leugnern gesperrt und gelöscht, werden hochrangige Wissenschaftler von Weltruf in deutschen Medien, auch und gerade in den öffentlich-rechtlichen, als Schwurbler, Verschwörungstheoretiker und wissenschaftlich Verirrte verunglimpft  und öffentlich an den Pranger gestellt, um dann von hasserfüllter Inbrunst durch Leichtgläubige verbrannt zu werden.
Und deshalb stehe ich hier zusammen, um vor der Welt und der Geschichte laut und deutlich zu beklagen, dass hier schon wieder eine totalitäre Staats- und Gesellschaftsordnung, ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen im Entstehen begriffen ist.
Und deshalb stehen wir hier fest zusammen, um vor der Welt und Geschichte zu bekunden, dass wir nicht in den durch Bundes- und Landesregierungen verordneten Schlaf fallen werden, in den die privaten und die öffentlich-rechtlichen Medien versuchen den Rest der Bevölkerung zu wiegen. Wir werden nicht wegsehen, wir werden nicht weghören und wir werden uns nicht ducken vor der staatlichen Gewalt, die keine Grundlage im Grundgesetz hat. Und wir lehnen es ab zu akzeptieren, dass unsere Grundrechte, unsere unveräußerlichen, gottgegebenen Menschenrechte verwirkt oder vorübergehend – aber auf unbestimmte Zeit – außer Kraft gesetzt werden.
(…)
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=5EXjpD6-GEc&t=2757s

Verteidiger Dirk Sattelmaier führte unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, dass und warum bei seinem Mandanten nicht ansatzweise auch nur ein einziges Tatbestandsmerkmal des § 130 Abs. 3 StGB in der dritten Variante (Verharmlosung) gegeben wäre.

Der erste Satz stehe klar erkennbar noch nicht einmal in Bezug zur NS-Zeit. Zuerst habe der Angeklagte aus der Präambel der Bayerischen Verfassung von 1946 zitiert. Dann kam der Satz, wonach 75 Jahre danach im Land und international so etwas wie Arbeitslager errichtet würden, nämlich in Form der harschen Lockdowns (unter dem Vorwand Corona-Pandemie-Bekämpfung). Es war mitnichten von Arbeitslagern der NS-Zeit die Rede. Der Angeklagte sei bei seiner schriftlich vorbereiteten Rede präzise gewesen und habe seine Worte wohl gewählt, gerade auch bei den Zeitangaben.
Bei dem anderen Satz, dass vor 76 Jahren die Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz und Dachau befreit worden seien, heute aber Gesetze die Internierung und Separierung von Menschen vorsähen, sei zwar eine Bezugnahme zur NS-Zeit gegeben. Es sei aber kein Vergleich angestellt worden. Man hätte aber sogar erlaubterweise einen Vergleich anstellen können. Er, der Verteidiger, habe in der Schule gelernt „Wehret den Anfängen!“. Doch das gehe nur, wenn man Vergleiche anstelle, was der Angeklagte aber hier noch nicht einmal gemacht habe. Erst recht habe er nicht gleichgesetzt. Einzig das wäre in der Tat dann strafrechtlich von Relevanz. Es liege folglich schon keine Verharmlosung durch seinen jüdischen Mandanten vor. Das Amtsgericht habe im Urteil die Tatsache, dass er Jude sei, verschwiegen.
Auch das Tatbestandsmerkmal der Eignung der gemachten Aussage zur Störung des öffentlichen Friedens sei nicht erfüllt. Dazu habe das Amtsgericht nur pauschale Fomulierungen unterstellt, aber nichts nachgewiesen oder näher belegt. Auch bei der heutigen Berufungsverhandlung (am 06.06.2023) habe er als Verteidiger nichts, gar nichts dazu gehört oder vorgehalten bekommen, was als potentielle Störung des öffentlichen Friedens geeignet sein könne. Dies habe auch die Staatsanwaltschaft nicht dargelegt, so wenig wie der Zeuge der Kripo oder das Gericht. Im Gegenteil habe die per Beamer und Lautsprecher vollständig gemeinsam angesehene Aufzeichnung der damaligen Rede ergeben, dass sein Mandant gegen Ende gesagt habe: „Bleibt besonnen, lasst Euch nicht provozieren!“.
Die viel längere als polizeilich transkribierte Rede habe die Politik des Ministerpräsidenten Söder als Schwerpunkt gehabt. Der Landtag solle diesen gemäß Art. 44 [Abs. 3 Satz 2] der Bayerischen Verfassung des Amtes entheben, denn Söder müsse wegen seiner extrem verfehlten Corona-Politik weg. Darauf  habe es vernehmbar den meisten und lautesten Beifall der laut Polizei etwa 180 Versammlungsteilnehmer gegeben. Die angeblich verharmlosende NS-Bezugnahme habe dagegen vergleichsweise fast keine merkliche Reaktion erbracht, und jedenfalls keineswegs den öffentlichen Frieden gestört oder stören können.

RA Dirk Sattelmaier nahm ausführlich Bezug auf den wegweisenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 2018 – 1  BvR 2083/15, zu dem wegen seiner Relevanz und da er von der bayerischen Justiz trotz der Bindewirkung für alle Gerichte nun mit dem heutigen Tage bereits von zwei Instanzen offenbar missachtet wurde, hier die Pressemitteilung des BVerfG zitiert wird:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-066.html

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Verurteilung wegen Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermords

Pressemitteilung Nr. 66/2018 vom 3. August 2018

Beschluss vom 22. Juni 2018
1 BvR 2083/15

Eine Verurteilung nach § 130 Abs. 3 StGB wegen Billigung, Leugnung oder Verharmlosung bestimmter unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangener Verbrechen kommt in allen Varianten – und damit auch in der Form des Verharmlosens – nur bei Äußerungen in Betracht, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Dies ist bei der Verharmlosung eigens festzustellen und nicht wie bei anderen Varianten indiziert. Mit dieser Begründung hat die 3. Kammer des Ersten Senats mit heute veröffentlichtem Beschluss einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen eine solche Verurteilung richtete. Der Verurteilung lagen keine tragfähigen Feststellungen zugrunde, nach denen die Äußerungen des Beschwerdeführers geeignet waren, den öffentlichen Frieden in dem von der Meinungsfreiheit gebotenen Verständnis als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung zu gefährden. Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht.

Sachverhalt:

  1. Der Beschwerdeführer veröffentlichte auf seiner Internetseite und auf seinem YouTube-Account eine Audiodatei, in der ein Dritter die erste „Wehrmachtsausstellung“, die vor einigen Jahren in Deutschland an verschiedenen Orten gezeigt wurde, wegen der teilweise unrichtig dargestellten Fotos von Soldaten der Wehrmacht kritisiert. Den Ausstellungsverantwortlichen werden Fälschungen und Manipulationen sowie Volksverhetzung und den alliierten Siegermächten „Lügenpropaganda“ vorgeworfen. Historische Wahrheiten würden verfolgt und bestraft, Menschen seien freiwillig mit der SS in Lager gegangen. Holocaust-Überlebenden wird vorgeworfen, mit Vorträgen über die Massenvernichtung Geld zu verdienen und es wird die These vertreten, dass Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und Zeugen in den Gerichtsprozessen zu dessen Aufarbeitung gelogen hätten. 
  2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen in Höhe von je 30,- €.  Das Landgericht verwarf die Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe, dass er wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt wurde. Die Revision zum Oberlandesgericht blieb erfolglos.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Das Urteil des Landgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG. Das Landgericht hat im Rahmen der Anwendung des § 130 Abs. 3 StGB keine tragfähigen Feststellungen getroffen, nach denen die Äußerungen des Beschwerdeführers geeignet waren, den öffentlichen Frieden in dem verfassungsrechtlich gebotenen Verständnis als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung zu stören.

  1. Die Äußerungen, die der Verurteilung zu Grunde gelegt wurden, unterfallen als mit diffusen Tatsachenbehauptungen vermischte Werturteile dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht die auf der Webseite des Beschwerdeführers veröffentlichten, von einem Dritten gemachten Äußerungen diesem zugerechnet hat.
  2. In der Bestrafung wegen der Verbreitung des streitgegenständlichen Textes liegt ein Eingriff in die Meinungsfreiheit. Dass § 130 Abs. 3 StGB als Eingriffsgrundlage kein allgemeines Gesetz ist, sondern spezifisch nur Äußerungen zum Nationalsozialismus unter Strafe stellt, steht der Verurteilung nicht entgegen. Als Vorschrift, die auf die Verhinderung einer propagandistischen Affirmation der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zwischen den Jahren 1933 und 1945 gerichtet ist, ist sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der formellen Anforderung der Allgemeinheit, wie sie sonst nach Art. 5 Abs. 2 GG gilt, ausgenommen.
  3. Der Eingriff genügt der Meinungsfreiheit jedoch in materieller Hinsicht nicht. Die Strafgerichte haben den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 GG nicht hinreichend Rechnung getragen.
  4. a) Der Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB verlangt schon seinem Wortlaut nach eine Äußerung, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Zwar bedarf das Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG einer näheren Konkretisierung durch die weiteren Tatbestandsmerkmale; auch kann, wenn diese verwirklicht sind, eine Friedensstörung in der Regel vermutet werden. Dies setzt aber umgekehrt voraus, dass die weiteren Tatbestandsmerkmale ihrerseits im Lichte der Friedensstörung ausgelegt werden. Insoweit kommt eine Verurteilung nach § 130 Abs. 3 StGB in allen Varianten – und damit auch in der Form des Verharmlosens – nur dann in Betracht, wenn hiervon allein solche Äußerungen erfasst werden, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden im Sinne der Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 GG zu gefährden. Soweit sich dies aus den anderen Tatbestandsmerkmalen selbst nicht eindeutig ergibt, ist die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens eigens festzustellen. Anders als in den Fällen der Leugnung und der Billigung, in denen die Störung des öffentlichen Friedens indiziert ist, erscheint dies für den Fall der Verharmlosung geboten.
  5. b) Im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG ergeben sich an die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens nähere Anforderungen. Ausgangspunkt ist die Meinungsfreiheit als Geistesfreiheit. Eingriffe dürfen nicht darauf gerichtet sein, Schutzmaßnahmen gegenüber rein geistig bleibenden Wirkungen von bestimmten Meinungsäußerungen zu treffen. Das Anliegen, die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ansichten zu verhindern, ist ebensowenig ein Grund, Meinungen zu beschränken, wie deren Wertlosigkeit oder auch Gefährlichkeit. Legitim ist es demgegenüber, Rechtsgutverletzungen zu unterbinden. Danach ist dem Begriff des öffentlichen Friedens ein eingegrenztes Verständnis zugrunde zu legen. Nicht tragfähig ist ein Verständnis des öffentlichen Friedens, das auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen und Ideologien zielt. Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer „Vergiftung des geistigen Klimas“ ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte. Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht.

Ein legitimes Schutzgut ist der öffentliche Frieden hingegen in einem Verständnis als Gewährleistung von Friedlichkeit. Ziel ist hier der Schutz vor Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern. Eine Verurteilung kann dann an Meinungsäußerungen anknüpfen, wenn sie über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkungen angelegt sind und etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auslösen können.

  1. c) Diesen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht. Das Vorliegen der Eignung zu einer Störung des öffentlichen Friedens begründet das Landgericht in erster Linie damit, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert werde und die Äußerungen als Ausdruck unerträglicher Missachtung wirkten. Damit wird aber in der Sache nicht mehr als eine Vergiftung des geistigen Klimas und eine Kränkung des Rechtsbewusstseins der Bevölkerung geltend gemacht, die die Schwelle einer Gefährdung der Friedlichkeit noch nicht erreicht. Dass sich die Internetseite an ein Publikum am äußeren rechten Rand des politischen Spektrums richtet, begründet für sich genommen ebenso wenig eine Gefährdung des öffentlichen Friedens im Sinne der Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung. Die Störung des öffentlichen Friedens ergibt sich auch nicht mittelbar aus den fachgerichtlichen Würdigungen der Äußerungen selbst. Das Landgericht stellt insoweit fest, dass mit den Äußerungen die Gewalttaten des NS-Regimes relativiert und bagatellisiert würden. Dabei wirft das Gericht dem Beschwerdeführer nicht vor, dass hierdurch Aggressivität geschürt und die Gewaltherrschaft oder Verbrechen des Nationalsozialismus gegen die Menschlichkeit gebilligt oder geleugnet würden. Abgestellt wird vielmehr auf eine einseitig beschönigende Darstellung des Nationalsozialismus. Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind aber nicht schon dann überschritten, wenn die anerkannte Geschichtsschreibung oder die Opfer nicht angemessen gewürdigt werden. Vielmehr sind von ihr auch offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen gedeckt, die wissenschaftlich haltlos sind und das Wertfundament unserer gesellschaftlichen Ordnung zu diffamieren suchen.

Der Schutz solcher Äußerungen durch die Meinungsfreiheit besagt damit nicht, dass diese als inhaltlich akzeptabel mit Gleichgültigkeit in der öffentlichen Diskussion aufzunehmen sind. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes setzt vielmehr darauf, dass solchen Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit schwer erträglich sein können, grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird. Die Meinungsfreiheit findet erst dann ihre Grenzen im Strafrecht, wenn die Äußerungen in einen unfriedlichen Charakter umschlagen. Hierfür enthalten die angegriffenen Entscheidungen jedoch keine Feststellungen.

Das heutige Urteil des Landgerichts München I änderte das erstinstanzliche amtsgerichtliche Urteil dahingehend ab, dass eine Geldstrafe von nur mehr 90 (statt 120) Tagessätzen verhängt wurde, wobei die Tagessatzhöhe unter Beachtung der realen wirtschaftlichen Verhältnisse und Belastungen auf 15 Euro reduziert wurde. Auch die vom Verurteilten zu tragenden Gerichtskosten sinken folglich, im gegebenen Fall auf die Hälfte. Somit wäre, falls die von Verteidiger Sattelmaier nach der Verhandlung bereits angekündigte Revision vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht das Urteil nicht aufhebt, der Angeklagte zumindest knapp noch nicht vorbestraft, die Verurteilung würde nicht im Führungszeugnis auftauchen.

Die Vorsitzende Richterin begründete das Urteil kurz mündlich so, der Angeklagte habe durch beide ihm vorgehaltenen Sätze, nenne man es nun Bezug, Vergleich oder gar Gleichsetzung jedenfalls bei Zuhörern zumindest billigend in Kauf nehmend eine Nähe zur NS-Diktatur und dem Holocaust hergestellt. Da damals Widerstand ehrenwert gewesen sei, der Angeklagte aber auch dazu aufgefordert habe, Läden zu öffnen und die verhängten Corona-Maßnahmen zu missachten, sei folglich bei Zuhörern vor Ort und im Internet – in den öffentlichen Frieden zu stören geeigneter Weise – die Folgerung nahegelegt worden, dann sei auch aktuell Widerstand hiergegen, also die Coronamaßnahmen der Regierung, ehrenwert und zu leisten.
Solche Äußerungen hat mit Bezug auf die ihm unterstellte „Verharmlosung“ der völkermörderischen Taten während der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft der Angeklagte jedoch weder am 14.02.2021 getätigt, noch solche kruden Gedanken heute, als er sich durchaus offenherzig zur Sache äußerte, gegenüber dem Gericht von sich gegeben.

Das Berufungsurteil ist somit ein erneutes krasses Fehlurteil und ein weiterer Skandal, was gerade in Bayern nicht gerade eine Seltenheit, sondern bei politischen Strafverfahrensinhalten längst eher die Regel ist.
Strafrecht wurde erneut missbräuchlich instrumentalisiert.
Positives Recht, also von Menschen gemachtes Recht, diente eben schon von jeher der Machtsicherung und dem Schutz der eigentlich Mächtigen und ihrer installierten „Funktionseliten“.

Die Vorsitzende Richterin Renate Baßler hatte ihre mutmaßliche Haltung hinter dieser von den Zuschauern, die sämtliche verfügbaren Plätze im Sitzungssaal A 229 füllten, als gesinnungspolitische Skandalverurteilung empfundenen Entscheidung, unfreiwillig recht klar durchblicken lassen. Der Paragraph 130 StGB habe eigentlich (mit Volksverhetzung) eine „falsche Überschrift“. Damit ließ sie erkennen, durchaus zu wissen, dass eine solche hier eben nicht vorgelegen habe. Aber ohne es explizit auszusprechen, machte Baßler somit zwischen den Zeilen deutlich, dass es ihr um etwas wie aus ihrer Sicht wohl abstrafungswürdige „Delegitimierung des Staates“ gehe. Ist das womöglich nahe am „Richterrecht“ wie im Dritten Reich, wo sog. Richter so urteilten, wie es der „Führer“ und die ideologische Linie des Staates mutmaßlich vorsähen, drängt sich da beinahe als Frage auf.
Das wäre just unter anderem auch das, wovor der Angeklagte bei seiner Rede am 14. Februar 2021 bezogen auf die heutige Zeit so nachdrücklich warnen wollte.

Der Angeklagte verlas als letztes Wort das Gedicht „Die Gewalt“ von Erich Fried.

Die Gewalt fängt nicht an,
wenn einer einen erwürgt.
Sie fängt an, wenn einer sagt:
„Ich liebe dich:
du gehörst mir!“

Die Gewalt fängt nicht an,
wenn Kranke getötet werden.
Sie fängt an, wenn einer sagt:
„Du bist krank:
Du musst tun, was ich sage!“

Die Gewalt fängt an,
wenn Eltern
ihre folgsamen Kinder beherrschen,
und wenn Päpste und Lehrer und Eltern
Selbstbeherrschung verlangen.

Die Gewalt herrscht dort wo der Staat sagt:
„Um die Gewalt zu bekämpfen
darf es keine Gewalt mehr geben
außer meiner Gewalt!“

Die Gewalt herrscht
wo irgendwer oder irgend etwas
zu hoch ist oder zu heilig,
um noch kritisiert zu werden.

Oder wo die Kritik nichts tun darf,
sondern nur reden,
und die Heiligen und die Hohen
mehr tun dürfen als reden.

Die Gewalt herrscht dort wo es heißt:
„Du darfst Gewalt anwenden!“
Aber auch dort wo es heißt:
„Du darfst keine Gewalt anwenden!“

Die Gewalt herrscht dort,
wo sie ihre Gegner einsperrt
und sie verleumdet
als Anstifter zur Gewalt.

Das Grundgesetz der Gewalt
lautet: „Recht ist, was wir tun.
Und was die anderen tun,
das ist Gewalt!“.

Die Gewalt kann man vielleicht nie
mit Gewalt überwinden,
aber auch nicht immer
ohne Gewalt.

Von rbk