Von rbk am 19.02.2024
Laut Wikipedia: „Christoph Heusgen ist ein deutscher politischer Beamter und Diplomat. Er war ab 2005 außen- und sicherheitspolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel und von 2017 bis 2021 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen. Seit 2022 leitet er die Münchner Sicherheitskonferenz.“
Die Zuschreibung „ist deutscher Diplomat“ klingt allerdings hohl und geradezu absurd. Denn man höre sich nur einmal an oder lese hier nach, was er gegenüber dem heute journal vom 18. Februar 2024, am Nachmittag, nach dem Ende der „Münchner Sicherheitskonferenz“ (MSC) absonderte. Da spricht er zum Beispiel, ohne jeden Beweis, vom getöteten, nicht etwa verstorbenen Nawalny. Was laut dessen „unglaublich starker“ Ehefrau bzw. Witwe „gerächt“ werde. Wenn Heusgen so sicher weiß, dass Nawalny „getötet“ wurde, weiß er das dann etwa deswegen, weil dies westliche Geheimdienste taten, um es Putin in die Schuhe zu schieben? Die „Cui bono“-Frage nach dem, der von Nawalnys überraschendem Tod am meisten profitiert, stellen beide lieber nicht, ergäbe die Antwort doch, dass das gewiss nicht Putin wäre. Und das ZDF fragt natürlich nicht nach, wie es denn sein kann, dass „zufällig“ pünktlich zur Vermeldung des Todes ihres Mannes sie selbst ausgerechnet bei der MSC war und sprechen sollte. Was sonderte Heusgen sonst so ab? Europa brauche eigene Atomwaffen. Ach, der Atomwaffensperrvertrag soll also in die Mülltonne? Und das ZDF hält diese „Bagatelle“ des beabsichtigten Verstoßes gegen ein völkerrechtlich bindendes, friedenserhaltendes Abkommen wohl für nicht erläuterungswürdig, geschweige denn für höchst skandalös? Außerdem: Die Ukraine solle am besten in die NATO, damit nicht wieder Putin, wenn ihm danach wäre, einfach mal eben wieder dort einfalle. Tja, bedauert die Moderatorin gleichsam, aber das werde sich leider noch zeitlich hinziehen. Das alles ist plumpeste Hetze und dreiste Kriegstreiberei. Von „diplomatisch“ nicht der Hauch einer Spur bei Heusgen. Von der Moderatorin kam da natürlich keine einzige kritische Rückfrage. Die umfassende Feindbildgenerierung und Kriegsvorbereitung hat System und bleibt „öffentlich-rechtlich“ völlig unhinterfragt oder gar kritisiert, man beteiligt sich vielmehr inbrünstig daran.
Hier also das Transkript des ZDF-Interviews von Moderatorin Anne Gellinek mit Christoph Heusgen (ein Screenshot des Video-Beitrags ganz oben):
Anne Gellinek: Dieses Jahr in München also erheblich mehr Verunsicherung als Gewissheit auf dem Treffen. Über die Konsequenzen daraus kann ich jetzt mit Christoph Heusgen sprechen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, die am Mittag zu Ende gegangen ist. Herr Heusgen, ich weiß, dass Sie Diplomat sind, aber ganz ehrlich, war die Kriegsgefahr in Europa schon mal so greifbar wie jetzt, mit einem aggressiven Russland, einem immer aggressiveren Russland, und einem schwankenden Amerika?
Christoph Heusgen: Ich glaub’, man kann hier nicht irgendwie was vormachen. Es ist, die Gefahr ist groß, ähm, ich hoffe nur, dass wir aufgrund der Münchner Sicherheitskonferenz, auf der Gespräche [sic], die geführt worden sind, aufgrund der Atmosphäre, die wir hatten, dass wir vielleicht jetzt diese Gefahr schon ein wenig herabmildern können.
AG: Herabmildern, inwiefern? Russland war ja auf dieser Konferenz nicht dabei.
CH: Ja, aber Russland war indirekt mit dabei. Russland hatte einen Auftritt, den sich niemand vorher vorgestellt hatte. Nämlich, sie [sic] hatte den Auftritt von, äh, Julija Nawalnaja, die Frau des am Tag der Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz, ähm, GETÖTETEN russischen Oppositionellen. Und, ähm, diese Frau hat eine unglaubliche Stärke gezeigt, indem sie hier aufgetreten ist, geredet hat, gesagt hat, Putin, ähm, dafür wird es, ähm, das wird gerächt werden. Und, ähm, wir hatten anschließend einen gewissen Ruck durch diese Konferenz. Wir hatten den Präsidenten Selenskyi, wir hatten viele Vertreter auch aus, ähm, aus Europa, auch aus den USA. Und, ähm, ich hab’ schon den Eindruck, dass die Amerikaner nach Hause reisen mit dem Gefühl ‚Wir müssen das jetzt zustande kriegen im Haus, dass die Unterstützung, ähm, dann doch funktioniert‘. Und gleichzeitig in Europa hatt’ ich auch das Gefühl, jetzt ist ein Ruck hier durch die EU, durch die europäischen Länder gegangen. Ähm, wir müssen hier unsere europäische Verteidigung stärken. Deutschland hat auch hier sehr viel Führungsrolle, der Bundeskanzler, gezeigt [sic]. Wir machen zwei Prozent, wir müssen jetzt sehen, ähm, dass wir in Europa unsere Hausaufgaben machen, es ist kurz vor zwölf.
AG: Okay. Ein Ruck, der vielleicht die Europäer auch dazu bringt, mehr zu tun. Gibt es denn wirklich den Willen in Europa, ähm, sich stärker in die Verteidigung zu investieren [sic], sich stärker zu engagieren?
CH: Ja, das hör’ ich von vielen Delegationen, die ja in, beim Europäischen Rat in Brüssel sind, und – äh – wir sehen, dass die Zahlen hochgehen, alle sehen, ähm, wie die Gefahr gewachsen ist. Man muss sehen, dass es schnell geht, dass es schneller geht. Man muss mehr europäisch zusammenarbeiten. Aber ich hab’ schon klar gesehen, ähm, hier ist der Wille. Die Frage ist: ‚Geht‘s schnell genug?‘
AG: Man kann ja als Beobachter so‘n gewissen Deja-vu-Effekt haben, denn bereits vor sieben Jahren, nach Trumps Amtsantritt Nummer 1 [sic], haben sich die Europäer ja versprochen, militärisch selbständiger zu werden, mehr in ihre Verteidigung zu investieren. Warum funktioniert das eigentlich immer wieder nicht?
CH: Ja, ich glaube, weil, ähm, da irgendwie, ähm, doch gedacht wird, so schlimm wird’s schon nicht kommen. Und dann müssen Sie natürlich sehen, dass verstärkte Mittel für Verteidigung, die fallen ja nicht vom Himmel, ähm, die müssen entweder Sondervermögen [sic], oder die müssen langfristig ja in den Haushalt eingeplant werden. Dann ist ja die Frage, ähm: ‚Auf Kosten welcher anderen Posten?‘ Und wir müssen irgendwie zurückkommen zu Zeiten letztlich, die wir bis zur Wiedervereinigung hatten, wo 3-4 Prozent des, ähm, Volksvermögens für Verteidigung ausgegeben worden ist. Nicht dass wir da ankommen, aber, ähm, wir, wir brauchen mehr, wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion dafür, ‚Wie viel ist uns Verteidigung wert?‘ Und ich glaube die Einschläge, die näher kommen sozusagen, auf der einen Seite, was in USA passiert, auf der anderen, was Wladi [sic] Putin macht, der ja vor nichts zurückschreckt, wie wir jetzt wieder erlebt haben. Ich glaube, das ist jetzt doch ein so starker Weckruf, dass wir optimistischer sein können als wir es vor sieben Jahren waren.
AG: Und in diese Diskussion über europäische Verteidigung mischt sich jetzt auch noch die Frage über europäische Atomwaffen. Sie haben gesagt, man müsse mit Frankreich über die französischen Atomwaffen reden. Was wäre denn das Ziel solcher Gespräche? Dass ein EU-Gipfel künftig entscheidet, ob Frankreich Atomwaffen einsetzt?
CH: Nein, ähm, wir müssen das Thema als solches einbeziehen. Und, äh, wir sollten das Angebot Frankreichs annehmen, überhaupt darüber zu sprechen. Und wir sollten eine, ähm, eine andere, einen anderen Weg auch verfolgen, und das ist die Zusammenarbeit mit Großbritannien. Großbritannien hat übrigens anders als Frankreich seine Atomwaffen ja eingebracht in die NATO, und da muss man sehen, wie die europäischen…
AG: Aber Herr Heusgen, mit welchem Ziel, mit welchem Ziel? Dass wir, dass wir die Atomwaffen mit finanzieren, die französischen? Oder…
CH: Nein, wir müssen, wofür stehen Atomwaffen. Atomwaffen stehen dafür, ähm, was, ähm, Europa im Kalten Krieg den Frieden gebracht hat. Das ist ein Instrument der Abschreckung. Und, ähm, da glaub’ ich, dass es wichtig ist, dass wir auf diesem Weg weitergehen. Die Finanzierung ist ‘ne zweite Sache, das wichtigste ist doch unsere Sicherheit, dass wir die, ähm, garantieren können. Und da finde ich, sollte man über solche Instrumente durchaus reden. Im übrigen, um auch das nochmal zu sagen, wir kommen ja hier aus dieser Konferenz mit dem Eindruck, dass in Amerika, ähm, nicht alles auch auf die Goldwaage geles…, gelegt wird, was Trump sagt, sondern wir werden weiter dran arbeiten, an transatlantischen Beziehungen. Trump, ähm, sagt viel, ähm, wenn der Tag lang ist. Aber wir müssen unabhängig davon unsere europäischen Hausaufgaben machen. Da gehört die konventionelle Verteidigung zu, aber wir dürfen hier nicht diese Möglichkeiten, die ja bestehen, nicht außer, außen vor lassen.
AG: Letzte Frage: Sie haben immer gesagt, dass der Ukraine-Krieg am Verhandlungstisch enden wird. Aber können Sie sich Verhandlungen mit diesem Putin, mit diesem Russland vorstellen, im Moment?
CH: Also, Verhandlungen kann es ja nur geben, wenn Verhandlungsbereitschaft besteht. Es scheitert ja schon daran, dass Wladimir Putin die Existenz der Ukrane, ähm, nicht anerkennt, er erkennt die Regierung nicht an. Also da sind wir noch weit von, von weg. Aber jeder Konflikt, ähm, der Balkan, die Balkan-Konflikte, andere Konflikte, kommen irgendwann, ähm, ja, zu einem Ende. Und hoffentlich mit einem, zu einem Ende, der [sic] dann auch eine vertragliche, ähm, Form findet. Und was dann ganz wichtig ist, damit das nicht wieder passiert, was jetzt passiert ist, ist, dass die Ukraine entsprechende Garantien bekommt, bis hin zur NATO-Mitgliedschaft, dass Wladimir Putin, wenn ihm die Laune danach ist, nicht schon wieder in dieses Land einfällt.
AG: Bis dahin ist der Weg aber noch weit. Danke an Christoph Heusgen, der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, herzlichen Dank für das Gespräch.
Ein Interview zum Abgewöhnen. Beide Seiten demonstrierten ein gemeinsames, fest zementiertes Feindbild, das man sich gegenseitig voller Russophobie bestätigte und das dem Zuseher gleichsam mit der Brechstange eingehämmert werden soll. Heusgen wirkte enorm unter Strom, gestresst und hektisch, er verhaspelte sich erstaunlich oft. Solches mutet man also Zuschauern, denen man dafür Zwangs-Rundfunkbeiträge abpresst, zu: Verhöhnende Verletzungen des proklamierten Programmauftrags, statt kritisch hinterfragender Berichterstattung,