Von Pepe Escobar am 01. Februar 2023 (im Original hier; übers. v. RBK)
Lehnen Sie sich zurück, entspannen Sie sich und genießen Sie ein Rennen zum Grund des Grand Canyons. Die Frage ist nur, wer zuerst dort ankommt: die EU, die NATO oder beide gleichzeitig.
Man kann sich vorstellen, daß im Hauptquartier des russischen Generalstabs alle möglichen Unterhaltungsspiele ablaufen, während das Imperium und die NATO buchstäblich verrückt werden. Welchen wahnwitzigen Trick werden sie sich als nächstes einfallen lassen – außer dem Dritten Weltkrieg?
Hier ist eine köstliche Zusammenfassung der Dementia Praecox der NATO. Bisher ist alles fehlgeschlagen, von „vernichtenden Sanktionen“ bis hin zu allen möglichen Wunderwaffen, während der gesamte Globale Süden die Heldentaten von Wagner PMC bestaunt, der jetzt als die beste Häuserkampf-Maschine des Planeten auftritt.
Das Sprachrohr der CIA, die Washington Post, gab bekannt, daß Washington den Leberwurstkanzler Scholz wieder einmal zum Frühstück, Mittag- und Abendessen eingeladen hatte. Die Idee stammt von Außenminister Tony Blinken: Wir sollten ankündigen, daß wir in einer unbestimmten Zukunft M1 Abrams an die Ukraine liefern werden, um Scholz die Möglichkeit zu geben, die Leoparden jetzt freizugeben.
Muß man deutsche Souveränität in Aktion nicht bewundern?
Jeder Militäranalytiker mit einem IQ über Raumtemperatur weiß, daß all diese Leoparden ordnungsgemäß verbrannt werden – oder besser noch, gefangen genommen und von russischen Militärspezialisten seziert werden.
Was also als nächstes passieren wird, ist ein weiterer Vorstoß im – bisher sehr erfolgreichen – von den USA entfesselten deutschen Deindustrialisierungsprogramm: Die Amerikaner werden mit ihrem „stark verbesserten“ Abrams, der vielleicht 2024 eintreffen wird oder auch überhaupt nicht mehr, in den deutschen militärisch-industriellen Komplex eindringen, wenn nur noch eine Rumpf-Ukraine existiert. Die Abrams müssen sich also nicht im Kampf bewähren – sie müssen nicht gefangen genommen und/oder verbrannt werden.
In Washington kursieren Gerüchte, dass die „Strategie“ der USA in der Ukraine – die in endlosen Berichten von Denkfabriken ausführlich beschrieben wird – angepaßt werden muss. Es geht nicht mehr darum, „Rußland zu besiegen“, sondern Kiew die Mittel an die Hand zu geben, um Rußland „Angst zu machen“. Der russische Generalstab muß geradezu in seinen Stiefeln zittern.
In der Zwischenzeit endet im wirklichen Leben fast jedes mögliche Szenario, das in Washington und Brüssel durchgespielt wird, damit, daß die NATO wie eine riesige, gepanzerte Version von Wile E. Coyote in die Tiefen des Grand Canyon stürzt. Und das gilt selbst dann, wenn die vielbeschworene russische Offensive „Großer Pfeil“ in einigen Tagen oder Wochen oder sogar überhaupt nicht beginnt.
Der russische Generalstab ist wohl schon vor langer Zeit zu dem Schluß gelangt, daß es keinen Sinn ergibt, die Ukraine innerhalb weniger Stunden in Schutt und Asche zu legen – was ihnen leicht gelingen könnte. Daher der sagenumwobene Ansatz der „Fleischwolf“-Methode, die der NATO keine Ausreden für eine „Eskalation“ bietet (was sie dennoch weiterhin tut, wie Jens „Krieg-ist-Frieden“ Stoltenberg es so gerne herausplappert).
Der Trick besteht darin, daß der Eskalationswahn der NATO in gewisser Weise vom russischen Generalstab gesteuert wird, der stets berechnet, welche optimalen Manöver die militärische Ausrüstung der NATO schneller aufbrauchen werden. Nennen Sie es die russische Version des bekannten Aphorismus: „Der Frosch im langsam erhitzten Topf merkt nicht, daß er gekocht wird, bis es zu spät ist“.
Angriffe auf Russland-China-Iran
Die absolute Verzweiflung schlägt sich nun anschaulich in Angriffen auf den Iran nieder. Sowohl Rußland als auch China betrachten den Iran als ihren wichtigsten Verbündeten in Westasien für den gesamten, komplexen Prozeß der Integration Eurasiens; strategische Partnerschaften verbinden das Trio miteinander.
Der Angriff auf das Verteidigungsministerium in Isfahan mit Drohnen – ein totaler Fehlschlag – und die Bombardierung auf einen Konvoi des Korps der Iranischen Revolutionsgarden mit humanitären Hilfsgütern auf dem Weg vom Irak nach Syrien sind also eine ernsthafte, von den USA und Israel koordinierte Provokation.
Im Grunde genommen handelt es sich dabei auch um Angriffe gegen Rußland und China. Israel kann ohne die Erlaubnis der USA weder die Hand noch den Fuß heben. Der iranische Geheimdienst könnte herausfinden, wie die Strauss’sche neokonservative und neoliberale Kabale, die für die US-Außenpolitik verantwortlich ist, diese Angriffe genehmigt, wenn nicht sogar angeordnet hat, die natürlich in direktem Zusammenhang mit der Verzweiflung der NATO in der Ukraine stehen.
Im Zweifelsfall sollte man sich auf Zbig „Grand Chessboard“ Brzezinski berufen: „Das gefährlichste Szenario wäre möglicherweise eine große Koalition aus China, Russland und vielleicht dem Iran, eine ‚anti-hegemoniale‘ Koalition, die nicht durch eine Ideologie, sondern durch gegenwärtige Sorgen vereint ist. Sie würde in Umfang und Reichweite an die Herausforderung erinnern, die einst der chinesisch-sowjetische Block darstellte.
Und ähnlich wie mit Ukraine/Russland verhält es sich natürlich auch mit Taiwan/China.
Wie der Credit-Suisse-Stratege Zoltan Pozsar ausführlich dargelegt hat, sind die Amerikaner operativ schlecht gerüstet, um ihren Zweifrontenkrieg gegen die gleichrangigen Konkurrenten Russland und China zu unterstützen, wenn Taiwan Chips für US-Raketen herstellt, die Washington dann zur „Selbstverteidigung“ nach Taiwan schickt, Taiwan aber warten muß, weil die Raketen stattdessen in der Ukraine benötigt werden, oder die Chips aufgrund einer möglichen See- und Luftblockade durch China nicht in die USA geliefert werden können.
Adieu, Pax Americana. Es ist die Angst, ja Paranoia, vor einem zerstörten Taiwan – und die Zerstörung würde in jedem Szenario von den Amerikanern selbst provoziert -, die die Strauss’schen neokonservativen und neoliberalen Kabalen dazu veranlaßt hat, zu verlangen, dass ihre Chips Made in USA sind.
An der Energiefront hat Washington angesichts der niedrigen Energiekosten in den USA darauf gesetzt, dass ein Großteil der Deindustrialisierung Deutschlands zu amerikanischen Gunsten ausfallen würde. Da jedoch die iranischen, russischen und venezolanischen Ölpreise niedriger sind als die der USA, wird möglicherweise nicht viel Produktion in den Hegemon verlagert: Sie geht nach China.
Auf den Grund des Grand Canyons!
Die gemeinsame Erklärung von EU und NATO vom 10. Januar zeigt anschaulich, daß die EU nur der PR-Arm der NATO ist.
Die gemeinsame Mission der NATO und der EU besteht darin, mit allen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Mitteln dafür zu sorgen, daß sich der „Dschungel“ stets gemäß der „regelbasierten internationalen Ordnung“ verhält und sich vom „blühenden Garten“ bis ins Unendliche ausplündern läßt.
Was bleibt also am Ende von „Europa“ übrig, wenn in Wirklichkeit die NATO – eigentlich also Washington – das Sagen hat?
„Europa“, so die unerbittliche Propaganda, bedeutet die Verteidigung „unserer Werte“ – wie Frieden, Demokratie und Wohlstand. Der Trick dabei ist, daß nicht-gewählte Eliten die implizite Identifizierung dieses imaginären, praktisch heiligen „Europas“ mit der Europäischen Union erzwungen haben. Und so hat die EU eine mythische Identität erlangt.
Im wirklichen Leben hat sich die EU – wie auch das reale, politisch organisierte „Europa“ – natürlich als giftiges Instrument der Spaltung der europäischen Völker erwiesen.
Statt in den Frieden hat sie in einen totalen, rasenden Krieg gegen Russland investiert. Die EU ist wohl die demokratisch unverantwortlichste Institution auf dem Planeten: Verbringen Sie einen Tag in Brüssel und Sie werden alles verstehen. Und anstelle von Wohlstand hat die EU die Austerität institutionalisiert.
Lehnen Sie sich also zurück, entspannen Sie sich und genießen Sie ein Rennen zum Grund des Grand Canyons. Die einzige Frage ist, wer zuerst dort ankommen wird: die EU, die NATO oder beide gleichzeitig?