Türkei auf außenpolitischem Konfrontationskurs?
Was ist das Ziel der Außenpolitik des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan?
Letztes Jahr – nämlich Ende Mai 2010 – hatten israelische Kommandos (sog. „Elite“-Soldaten der Einheit „Shayetet 13“) in den internationalen Gewässern des östlichen Mittelmeers neun türkische Angehörige des zivilen Gaza-Hilfskonvois auf der „Mavi Marmara“ getötet.
Der massive Protest der türkischen Regierung gegen diese Gewaltorgie – mitsamt des letztes Jahr begonnenen und aktuell ausgeweiteten Einfrierens der offiziellen militärischen Kooperation mit Israel – und die Forderung Erdogans nach einer Entschuldigung seitens Israels versandeten jedoch bis heute vollends. Auch durch den Abschlußbericht der Türkei, den diese im Februar 2011 nach erfolgten eigenen Untersuchungen an die UNO einreichte, und in dem sie davon sprach, Israel habe auf der „Mavi Marmara“ im vergangenen Jahr „maßlose, rücksichtslose und unverhältnismäßige Gewalt“ angewandt, oder durch die Verurteilung des mörderischen Gewaltaktes Israels durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen änderte sich daran nichts.
Doch wer nun geglaubt hatte, am für Ende Juni 2011 geplanten erneuten Gaza-Hilfskonvoi werde sich daher die Türkei erst recht federführend oder gar mit Schutzbegleitung durch türkische Kriegsschiffe beteiligen, sah sich kraß „ent-täuscht“ (man beachte die doppelte Bedeutung dieses Wortes). Es gab nämlich gar keine offizielle türkische Teilnahme, vielmehr traten türkische Organisatoren nach expliziten Ermahnungen durch die türkische Regierung Mitte Juni 2011 den Rückzug an.
Dies kann man Ankara allerdings nicht allein vorhalten, wie folgender kleine Exkurs zeigen soll: Der UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte sich Ende Mai 2011 sogar erdreistet, „alle betroffenen Regierungen“ aufzufordern, sich gegen die Entsendung einer neuerlichen Hilfsflotte einzusetzen. Und Athen untersagte gar das Auslaufen von neun Hilfskonvoi-Schiffen aus dem Hafen von Piräus; der Kapitän des US-amerikanischen Konvoi-Schiffes „Audacity of Hope“, der dies dennoch versuchte, wurde nach rüdem Stoppen des Schiffs durch die griechische Küstenwache inhaftiert. Es ist immer wieder erstaunlich, mitansehen zu müssen, wie extrem weit der Einfluß des Zionistenstaates reicht; selbst in einem EU-Staat, der nachgerade mitten am wirtschaftlich-finanziellen Kollabieren ist, in Euro-Schulden ertrinkt und zunehmend gewaltbereite Proteste gegen die Lage verschlimmernde, von der EU und dem IWF geforderte Austeritätsmaßnahmen zu gewärtigen hat, und der von daher vorrangigere Sorgen haben sollte, als quasi Unterwürfigkeit gegenüber den Wünschen der Netanjahu-Regierung zu demonstrieren.
Statt also beim neuerlichen Gaza-Hilfskonvoi machte die Türkei vielmehr zeitgleich mit beim gegen den Nachbarstaat Syrien gerichteten westlichen Kesseltreiben („Assad-Bashing“) ohne glaubwürdige Belege für die Vorwürfe – ähnlich also wie bei den fadenscheinigen Kriegsbegründungen („Gaddafi-Bashing“) gegen Libyen (wobei – kein Witz! – man laut US-Regierung gegenüber dem US-Kongreß in Libyen gar keinen [parlamentarisch zustimmungspflichtigen] Krieg führe, da Libyen militärisch viel zu schwach sei!). Erdogan erging sich durchaus in kraftvollen Vorwürfen: „Barbarei“ und „Greueltaten“ an Zivilisten hielt er Assad bzw. Syrien vor, sowie ein für die Türkei „inakzeptables“ Vorgehen des Nachbarstaates.
Es fielen dann im August noch dramatischere Worte zwischen dem syrischen Präsidenten Assad und dem türkischen Außenminister Davutoglu. Schon vor dem Treffen provozierte der Diplomat damit, er werde an den Syrer eine „letzte Warnung“ aussprechen. Er könne als Reaktion auf den „internationalen“ Druck nur entweder einen auf Gorbatschow machen (sprich: also blauäugig bzw. freimaurerisch hirngewaschen dem Westen und seinen falschen Versprechungen [keine NATO-Truppen-Stationierung über die Oder-Neiße-Grenze hinaus nach Osten] trauen bzw. ihm zu Kreuze kriechen) oder aber „das Schicksal Saddams teilen“. Assad soll Davutoglu dann jedoch während des persönlichen Treffens zurechtweisend gesagt haben, wenn die Türkei unbedingt Krieg wolle, werde sie ihn flächendeckend bekommen.
Kurz darauf überfielen zum wiederholten Male Kurden (im letzteren Falle aus dem Nord-Irak) türkische Militärs. Es gab zahlreiche türkische Tote, was wiederum türkische Militäreinsätze gegen Kurden der Region zur Folge hatte. Westliche Geheimdienste spekulieren, der Iran als Verbündeter Syriens könne die Kurden zum Zwecke der Ablenkung und der Erleichterung des Drucks auf Syrien zu den Attacken auf die türkischen Militärs ermuntert haben.
In der Tat kann die Türkei schwerlich den Einsatz des syrischen Militärs brandmarken, der aus syrischer Sicht lediglich ein für jeden souveränen Staat unumgänglicher Einsatz gegen „terroristische Elemente“ ist, die noch dazu von fremden, feindlich gesinnten Staaten sowohl mit Geld als auch mit Waffen und Technologie (z.B. Satellitentelefonen) zur Destabilisierung Syriens aufgepäppelt wurden, wo doch ihr eigener Einsatz gegen die kurdische PKK vom Grundsatz her in keinster Weise anders begründet wurde und wird.
Keineswegs auszuschließen ist aber auch eine aktive Unterstützung bzw. Anschlagsermunterung der nordirakischen Kurden durch Israel.
Begleitend zur verbalen Schärfe der Türkei in Richtung Syrien hat Ankara (so jedenfalls ein einstiger Springer-„Journalist“, der nach eigenen Worten ausgerechnet in Afghanistan zum Islam konvertierte, der nun aber ohne Unterlaß islamophob wirkende Artikel absondert, und der sehr offensichtlich gerne mal für Israel Propaganda in die Welt setzt und z.B. die getöteten Türken der „Mavi Marmara“ als so etwas wie notorisch gewalttätige Terroristen verunglimpfte, als würde ihm der Mossad die Feder führen) die NATO-Verbündeten darüber informiert, man bereite sich auf einen Krieg (gegen Syrien) vor.
Doch harte Worte der Türkei gab es jüngst auch gegen Zypern. Man untersagte Bohrungen nach Erdgas im Mittelmeer und drohte andernfalls mit dem Einsatz der türkischen Marine (unter dem östlichen Mittelmeer sollen gigantische Erdgasvorräte schlummern, nicht zuletzt vor Gaza).
Interessant ist im Zusammenhang der zunehmenden Spannungen mit Zypern gewiß auch, daß – relativ kurz bevor sie so offenkundig stark anstiegen – die einzige Marinebasis Zyperns durch eine gewaltige Explosion eines Munitionsdepots fast komplett zerstört wurde. Und ausgerechnet Israel bot daraufhin Zypern zügigen Wiederaufbau der Basis sowie die Lieferung moderner Kriegsschiffe an.
Überdies wird seitens der türkischen Regierung ganz aktuell doch auch wieder die Tötung der türkischen Hilfs- flotillen-Angehörigen 2010 durch israelische Enter-Kommandos auffällig hochgekocht. So wurde u.a. der israelische Botschafter ausgewiesen. Erdogan kündigte an, den Streit um die Gaza-Flotte (von 2010) werde er vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag klären lassen. Künftig werde zudem die Türkei möglicherweise humanitäre Hilfslieferungen in den Gaza-Streifen militärisch absichern (nun, dies war allerdings schon vor Jahresfrist eine hohle Ankündigung für die Zukunft gewesen, der nichts folgte, bzw. nur die verblüffende Vermeidung jeglicher Konvoi-Beteiligung im Juni 2011). Auch einen baldigen persönlichen Besuch des Gaza-Streifens von Ägypten aus brachte Erdogan in die zunehmend hitzige Debatte ein.
Erdogan erwähnte darüber hinaus, er habe Obama gefragt, ob dieser denn kein Aufklärungsinteresse am Tod eines seiner US-amerikanischen Staatsbürger gezeigt habe, weil jener auch Türke (doppelte Staatsangehörigkeit) gewesen sei, doch habe er von Obama keine Antwort erhalten.
Was steckt hinter dieser dramatischen, sehr sprunghaft und panisch wirkenden außenpolitischen Entwicklung im östlichen Mittelmeerraum?
Kollabiert die Türkei gerade wirtschaftlich im Zuge der sich gerade warmlaufenden weltweiten Rezession bzw. der Entlarvung der seit Jahren insbesondere in den USA laufenden Depression, die man lediglich global durch exzessive Schuldenausweitung zu kaschieren versuchte, und will daher die Regierung durch außenpolitische Ablenkungsmanöver innenpolitisch gefährlichen Proteststürmen vorbeugen?
Oder ist die Sichtweise der Türkei dahingehend fundamental abgeändert, man wisse nach ausgiebiger Analyse nun, wo und wer der wahre Feind sei? Immerhin hatte jüngst ein Großteil der obersten Militärführung mit Demission gedroht, welche Erdogan allerdings trocken und wie einen Triumph annahm. Somit kann man mutmaßen, die verdeckten Freunde Israels innerhalb der türkischen Eliten haben sich ein Stück weit freiwillig durch ein grandioses politisches Fehlkalkül ins Abseits und in die Bedeutungslosigkeit gestellt.
Israels Hardliner-Außenminister Lieberman forderte bei den derzeitigen hitzigen zwischenstaatlichen Wortgefechten eine „Bestrafung“ des unbotmäßigen Erdogan, z.B. durch politisches Hochkochen der Thematik des Massensterbens der Armenier in der Türkei Anfang des 20. Jahrhunderts. Zudem könne Israel künftig den kurdischen PKK-Rebellen unter die Arme greifen (was allerdings schon lange laufen dürfte!).
Bei dieser Gemengelage ist man nur noch baff erstaunt, wie hier verbal gezündelt wird.
Man war auch schon seit Februar 2011 überrascht über einen neuerlichen infamen Angriff der NATO auf einen souveränen Staat, nämlich Libyen, diesmal allen voran forciert – jedenfalls nach außen – von Sarkozy. Wie seit Jahren bei wiederholten UNO-Sanktions-Beschlüssen gegen den Iran machten erneut China und Rußland willfährig durch ihren Veto-Verzicht mit, d.h. sie ebneten dadurch der barbarischen, feigen, völkermörderischen (abgereichertes Uran wurde massenhaft wie früher in Serbien/Kosovo und dem Irak verschossen) erneuten Bombardierungsorgie auf die zivile Infrastruktur den Weg (die USA haben hingegen ihr Veto gegen die Ausrufung eines Palästinenser-Staates offen angekündigt, wie in einer unendlich erscheinenden Zahl pro-israelischer US-Vetos zuvor auch). Die Krönung der Perversität war aber fast, daß ausgerechnet der offizielle Iran das Vorgehen gegen Gaddafi begrüßte. Zwar sollen bei dem Feldzug gegen Libyen auch französische (und britische) Wirtschafts- und Bankinteressen eine Rolle gespielt haben, aber die von Gaddafi vehement vorangetriebene Einführung eines Gold-Dinars für den Export libyscher und generell afrikanischer Rohstoffe der Afrikanischen Union an den Westen (Folge: Bezahlung von Exporten per Edelmetalldeckung statt per zunehmend wertloser US-Dollar oder Euro also) dürften eine erheblichere Rolle gespielt haben. Zudem begann – wieder einmal muss man sagen, und wieder einmal bei totaler medialer Ausblendung durch deutsche Medien – dieser neuerliche Terrorkrieg der NATO in einem ganz unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang (2011: 19. März) mit dem Purim-„Fest“ (mit ihm wird die alttestamentarische Abschlachtung zehntausender Feinde von Juden durch das Militär eines gezielt und geduldig manipulierten Herrschers gefeiert). Dies war schon beim Beginn des ersten und des zweiten Krieges gegen den Irak 1991 und 2003 so gewesen (beide Kriege kamen Israel überaus gelegen und waren von zionistischen Falken lange gefordert worden). Gleichsam die erste Handlung des „Übergangsrates“ der „Rebellen“ des zuvor völlig (außen-)schuldenfreien Libyen mit seiner für den afrikanischen Kontinent enorm hohen Lebensqualität für seine Einwohner war unmittelbar bei Kriegsbeginn die Ausrufung einer künftigen libyschen Zentralbank (in der für die Bevölkerung stets absehbar fatalen Tradition von zinsbelastetem Schuldgeld und mit der Etablierung der heimlichen Eigentümer- und Profiteursstruktur analog der Schaffung der Bank von England und der FED).
Doch der von Grund auf verlogene Libyen-Terrorkrieg der NATO ist längst noch nicht beendet, entgegen aller dummdreisten medialen Publikums-Einseifungen à la „Wag the Dog“ und potemkinschen Kulissenschiebereien mit vorgeblich jubelnden befreiten Massen und feiernden Rebellen-Siegern aus dem in Katar nachgebauten “Grünen Platz in Tripolis” übrigens (gesendet vom dort seine Zentrale habenden “Münchhausen-TV” al-Dschasira, und aufgegriffen von de facto sämtlichen westlichen TV-Sendern), da droht die Spirale des kriegerischen Massenmordens also nunmehr auch im östlichen Mittelmeerraum ganz erheblich weitergedreht zu werden.
Mögen die Vernunft und der Widerstand gegen das drohende Massenmorden die Oberhand behalten!